Seit 1952 sammelt das Institut für Neue Technische Form Beispiele gut gestalteter Produkte, die sich zum einen durch eine hohe Qualität auszeichnen, zum anderen für ihre Zeit als wichtig erachtet werden. Jede Dekade zeichnet sich durch spezifische politische, kulturelle und ökonomische Hintergründe aus, die sich auch in der Formensprache bestimmter Produkte widerspiegeln.
Die Sammlung wird ergänzt durch Konstruktionszeichnungen, Modelle und Fotos, die den Blick auf verschiedene Vorgehensweisen und Handschriften der Designer lenken.
Im INTeF wird ein kleiner Teil der Sammlung, ausgewählte Produkte der Firma Braun und Möbel von Vitsoe, gezeigt. Der größere Teil befindet sich im Archiv.
Der Architekt Peter Behrens (1868-1940) machte sich die mannigfaltigen industriellen Möglichkeiten für neue Formen zu eigen. Mit seinem Allroundtalent, das er vorher bereits als Mitglied der Darmstädter Künstlerkolonie unter Beweis gestellt hatte, entwarf er ab 1907 als künstlerischer Beirat für die AEG von der Turbinenhalle (1908/09) über Ventilatoren, Lampen, Uhren und Wasserkocher bis hin zum Firmenemblem alles, was es in einem Konzern zu gestalten gab. Sieben Jahre zeichnete er für das Erscheinungsbild des in Berlin ansässigen Unternehmens verantwortlich. Mit diesem konsequent durchgestalteten Gesamtkunstwerk, zu dem freilich auch Kommunikation und Firmenphilosophie zählen, wurde die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft zur ersten deutschen Firma mit Corporate Identity.
Wer sich in der Architektur einen Namen machen wollte, ließ sich von Peter Behrens ausbilden. Hierzu zählen unter anderen Walter Gropius (1883-1969), Le Corbusier (1887-1965) und Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969), der später den bekannten Leitsatz »Weniger ist mehr« von seinem Lehrer übernahm.
Kulturelle Ansprüche sowie technischer Fortschritt werden mehr und mehr zusammengebracht
Der Deutsche Werkbund, 1907 in München gegründet, eine Vereinigung von Architekten, Künstlern, Kunsthandwerkern und Unternehmern, die sich um eine humane Alltagskultur bemühten, wollte durch gutes Design den Gebrauchswert von Gegenständen erhöhen. In vorbildlichen Ausstellungen wie 1914 in Köln oder 1930 in Paris wurde gezeigt, wie die enge Zusammenarbeit von Kunst, Handwerk und Industrie die Formgebung im Sinne eines harmonischen Zusammenwirkens von Schönheit und Nützlichkeit beeinflussen kann. Durch die Beteiligung an ausländischen Ausstellungen hatte die Arbeit des Werkbundes auch eine starke Auswirkung auf Formgeber in England, Skandinavien und in den USA.
Doch die bedeutendste Institution für die Entwicklung des Designs war das 1919 in Weimar von Walter Gropius gegründete Bauhaus, wo avantgardistische Ideen aufgegriffen und in die Praxis umgesetzt wurden. In dieser revolutionären Schule wurden Utopien entwickelt, denn die Bauhäusler realisierten eine neue Architektur, Fotografie, Bildhauerei und Malerei und rissen die Schranken zwischen den verschiedenen Disziplinen ein: Gemeinsam erschufen sie künstlich-geometrisch angeordnete Landschaften und Wohnungen, bei denen die Funktionalität im Vordergrund stand und die durch Klarheit, Einfachheit und Ordnung bestimmt waren. Nicht nur kreative, individuelle Eigenheiten sollten gefördert werden, vielmehr sollte der Bauhäusler ein selbständig denkender Mensch werden, der klug und rational wie ein Techniker seine Aufgaben analysiert und löst.
Durch künstlerische und handwerkliche Ausbildung wollten die Bauhäusler auf die Lebensgestaltung der modernen Industriegesellschaft einwirken
Sie wollten die Umwelt verändern, die Menschen verbessern. Hierfür entwickelten sie Prototypen von Gebrauchsgegenständen für die serienmäßige Massenproduktion. Für Möbel bevorzugten sie industriell hergestellte Materialien wie Stahlrohr und Sperrholz und verzichteten auf jeglichen Dekor. Im Bereich der Produktgestaltung waren neben Gropius auch Mies van der Rohe, Marcel Breuer (1902-1981) und Laszlo Moholy-Nagy (1895-1946) maßgebende Künstler des Bauhauses. Wichtige Impulse gingen vom Wohnungsbau aus: Die Weißenhofsiedlung in Stuttgart, die Berliner Hufeisensiedlung Blitz und Onkel Toms Hütte sowie die May-Siedlung in Frankfurt am Main spiegeln ähnliche Gestaltungsprinzipien wider; die auch für das Produktdesign gelten.
Beispielhaft für diese geistige Haltung der Übereinstimmung von Architekturentwurf und Innenausbau ist die Arbeit des aus Frankfurt stammenden Architekten Ferdinand Kramer (1898-1985), der sich auch mit Serienmöbeln, Türdrückern bis hin zur Kohlenschaufel befasste. Schon in seiner Kindheit (sein Großvater war Schiffsbauer und hatte eine Werft in Niederrad) wurde Kramer mit den Materialien, dem Ausfeilen technischer Lösungen sowie den Produktionsweisen dieses kreativen Handwerkes vertraut gemacht.
Es galt, höchste Qualität mit den sparsamsten Mitteln zu verbinden
Kramer betonte, dass dieses Handwerk seit Jahrhunderten »Form als Zusammenfassung von Zweck, Material und Arbeit« verstand. Ab 1919 besuchte Kramer das Staatliche Bauhaus Weimar bei Gropius und Adolf Meyer. Seine Bauten und Möbel gelten als herausragende Beispiele aus einer bedeutenden Phase der politischen und sozialen Entwicklung der Stadt Frankfurt. Neben seiner architektonischen Tätigkeit beriet er auch Firmen wie Buderus, die Bürger Eisenwerke, Thonet und die Hausrat GmbH in Frankfurt, entwickelte 1926 den gusseisernen »Original Kramerofen« und 1927 Thonetstühle aus Bugholz für Schulen und Kindergärten. Als die Bauaufsichtsbehörde ihm Bauverbot erteilte, weil seine kühle, rationale Formgebung auf Unverständnis und Ablehnung stieß, emigrierte er 1938 in die USA, wo er bis 1952 selbständiger Architekt war; bevor er wieder nach Frankfurt zurückkehrte und seine Arbeit fortsetzte.
Die Charaktere der Formgeber sind so mannigfaltig wie deren Entwürfe
Jeder Designer hat eine andere Auffassung von guter Formgebung, von einem ausgereiften Produkt: Die Ideen sind so unterschiedlich wie die Jahrzehnte, in denen sie entstanden sind. Als Pionier und Lehrer gehört der Architekt und Gebrauchsgrafiker Walter Maria Kersting (1892-1970) zu den ersten, die einen wichtigen Beitrag für den Beruf des Industriedesigners geleistet haben. Der in Münster Geborene war auf den verschiedensten Gebieten der Gestaltung tätig und machte sich als künstlerischer Mitarbeiter in der Industrie, völlig unabhängig vom Bauhaus, für die Verwirklichung der Synthese von Kunst und Technik sowie für Gestaltung und Konstruktion stark. Als Altmeister der Ingenieur-Designer entwarf er für viele Sparten: vom Haus über zerlegbare Möbel bis hin zu Nähmaschinen, Autos, Leuchten, Uhren, Plattenspielern, Öfen, Telefonapparaten und Türklinken. Sein Radio, der Volksempfänger von 1928, stand seinerzeit in nahezu jedem Haushalt. Durch Vorträge und Artikel über die Aufgabe der Formgestaltung in der Industrie wirkte Kersting mit an der Grundlegung der Arbeit des zukünftigen Industriedesigners.
Seit den dreißiger Jahren gilt der in Bremen geborene Wilhelm Wagenfeld (1900-1990) als einer der erfolgreichsten Industriedesigner auf dem Konsumgütersektor. Er arbeitete aus einer sozial-ästhetischen Überzeugung heraus, indem er brauchbare Alltagsgegenstände entwarf, die möglichst viele Menschen zu niedrigen Preisen erstehen konnten. Um dies zu erreichen, arbeitete auch er eng mit Firmen zusammen, um die produktionstechnischen Möglichkeiten genau zu kennen und die Abläufe zu optimieren. In einem Brief vom 4. November 1958 an Mia Seeger schreibt er: »Die Arbeit in den Jenaer Fabriken und Hütten hat mich ungemein bereichert, erfüllte mich ganz und gar, und deshalb sagte ich der Mitarbeit zu, trotz des geringen Honorars. Nie stand das Honorar vorne an, immer die Aufgabe und meine Lust, sie zu bewältigen.« Zudem wollte Wagenfeld, dass die Fabrikarbeiter ihre Zeit sinnvoll einsetzten, indem sie ästhetische Produkte fertigten. Als disziplinierter Handwerker (Wagenfeld war Silberschmied) sowie mit seinen Bauhaus-Erfahrungen prägte er einen gesamtheitlichen Qualitätsbegriff. 1923 entwarf er die berühmte »Bauhauslampe«, die später von der Metallwerkstatt des Bauhauses, wo Wagenfeld bei Moholy-Nagy lernte, in die Serienproduktion übernommen wurde. Wagenfeld hatte ein hohes Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Mitarbeitern sowie im Hinblick auf materielle Ressourcen. So wertete er das in den dreißiger Jahren als minder geachtete Pressglas auf, indem er beispielsweise das heute von Sammlern so begehrte Kubusgeschirr entwarf. Es ist ein praktisch unverwüstliches Geschirr aus modulartigen Pressglaselementen zum Aufbewahren der verschiedensten Lebensmittel wie Butter, Milch, Wurst oder Käse. Aber auch Wagenfelds Vasen, Tintenflaschen, Trinkgläser, Eierbecher und Weinkühler sind beispielhaft. Zu den von ihm entworfenen, gern benutzten Gegenständen gehören ebenfalls die bewährten, weil hitzebeständigen Jenaer Glasschüsseln. Als freier Designer gestaltete er zahlreiche ästhetische Gebrauchsgegenstände für Firmen wie Rosenthal, Braun AG, WMF, Lindner in Barmberg, Deutsche Lufthansa, Schott & Gen. und die Vereinigten Lausitzer Glaswerke.
Beispielhaft für die zwanziger Jahre sind sowohl die Typenmöbel für Schrankwände, als auch die Stühle und Sessel aus gebogenem Holz und Sitzen aus Peddigrohrgeflecht des Bauhäuslers Erich Dieckmann (1896-1944).
Der in Ulm geborene Wilhelm Braun‑Feldweg (1908-1998) zählt einerseits mit seinen Vasenentwürfen, Wandleuchten und Geschirren der Serie Elegance, andererseits mit seinen technischen Geräten wie Projektoren und Mikrophonen zu den Pionieren des deutschen Industriedesigns. Wie die anderen renommierten Gestalter hatte auch Braun-Feldweg eine umfassende Ausbildung: Vor seinem Studium der Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart besuchte er als ausgebildeter Stahlgraveur die dortige Württembergische Staatliche Kunstgewerbeschule. An der Berliner Hochschule für Bildende Künste, wo er von 1958 bis 1973 lehrte, richtete er einen Lehrstuhl für Industriedesign ein und war mit publizistischen Arbeiten ebenso wie mit umfangreichen Tätigkeiten als Formgeber beschäftigt.
Wie Wagenfeld war Heinrich Löffelhardt (1901-1979) Silberschmied, bevor er ein Studium der Bildhauerei bei Georg Kolbe aufnahm. In den dreißiger Jahren arbeitete er für die Vereinigten Lausitzer Glaswerke, deren künstlerischer Leiter damals Wagenfeld war. Auch der in Heilbronn geborene Löffelhardt gestaltete Produkte für viele Lebensbereiche. Einige seiner Gläser werden bis heute produziert.
Zunächst mit seinen Signets für Melitta, Peill & Putzler, Schöller/Hammer sowie Resopal, später mit seinen Entwürfen für Porzellanservice und seinen Sitzmöbeln machte der bedeutende Hochschullehrer Jupp Ernst (1905-1987) von sich reden. Die bis heute produzierte Afri-Cola-Flasche ist typisch für seinen Zeichen setzenden Designstil. Die bekannteste Kampagne des Werbefachmanns Charles Wilp (1932-2005) entstand 1968 für den Softdrink, von ihm war der Slogan: „Sexy-mini-super-flower-pop-op-cola – alles ist in Afri-Cola“.
Der nächsten Generation gehörte Heinz H. Engler (1928-1986) an, der ausgebildeter Keramiker war und die Töpferwerkstatt Margarete Frauer in Biberach leitete. In den fünfziger Jahren war er Entwerfer in der Designabteilung der Firma Arabia in Helsinki. In seinem Biberacher Studio entwickelte er Modelle und Typen für die Glas-, Porzellan-, Steinzeug- und Kunststoffindustrie. In der Porzellanfabrik Gebrüder Bauscher, Weiden und in der Stölzle Glasindustrie AG in Wien war Engler als Chefdesigner tätig. Für sein 1959/60 entwickeltes revolutionäres Geschirrprogramm B 1100, das er für gastronomische Großbetriebe entwarf und das er auf wenige Einzelteile reduzierte, wobei einige Elemente in mehreren Funktionen verwendbar sind (z. B. Untertassen auch als Deckel), erhielt er den »Bundespreis Gute Form«. Engler vermied bei diesem ausgezeichneten System aufgesetzte Formen, statt dessen entwarf er organisch integrierte Griffe, Henkel und Deckelknäufe, die eine Fertigung in einem Stück und in einem Arbeitsgang ermöglichten.
1953 wurde sowohl die Hochschule für Gestaltung Ulm, als auch – auf Initiative des Deutschen Bundestages – der Rat für Formgebung in Darmstadt gegründet, um dem wachsenden Informationsbedarf der Wirtschaft zum Thema Design zu entsprechen. Zur Förderung einer guten Formgebung industrieller und handwerklicher Erzeugnisse berät der Rat für Formgebung seit dieser Zeit Industrie, Handwerk, Handel, Verbraucherschaft, Regierung und Berufsausbildung. Erste Geschäftsführerin war Mia Seeger (1903-1991), der Sitz war das Alfred-Messel-Haus im Eugen-Bracht-Weg 6 auf der Mathildenhöhe in Darmstadt, wo auch das bereits 1952 gegründetet Institut für Neue Technische Form (INTeF) ansässig war. Der Rat, der auch die Organisation des Designpreises der Bundesrepublik Deutschland durchführt, ist heute in Frankfurt ansässig und gehört zu den weltweit führenden Kompetenzzentren für Kommunikation und Know-how-Transfer im Bereich Design.
In den fünfziger Jahren setzt die Hochschule für Gestaltung Ulm (HfG) mit ihrem Mitbegründer Max Bill (1908-1994), der auch Rektor und Leiter der Abteilungen für Architektur und Produktdesign war, das Erbe des Bauhauses fort. Zu den wichtigen Gestaltern dieser Schule gehören unter anderen der Architekt Hans Gugelot (1920-1965), der von 1954 bis 1965 unter Erwin Braun (1921-1992) und Artur Braun (1925-2013) für die Designabteilung von Braun arbeitete und der entscheidend an der Entwicklung des charakteristischen »Braun-Produktstils« auf der Grundlage von Prinzipien des Funktionalismus beteiligt war.
Der Grafiker Otl Aicher (1922-1991) zeichnete vor allem für die Typographie und für das gesamte visuelle Erscheinungsbild verantwortlich. Seine Handschrift tragen die Ulmer Hochschule selbst, die Deutsche Lufthansa, das Unternehmen Braun und besonders die Olympischen Spiele 1972 in München. Die von den Ulmern entwickelte methodisch-ganzheitlich gestalteten Kommunikationsmittel waren eine Pionierleistung. Zu dem Team aus den Ulmern Gugelot, Herbert Lindinger (*1933) und Otl Aicher zählten auch Herbert Hirche (1910-2002), Fritz Eichler (1911 -1991) und Dieter Rams (*1932). Der Lehrer Walter Zeischegg (1917-1983), der sich mit Architektur und Versuchsformen für Bauelemente beschäftigte, entwickelte aus Kugelverbindungen und Kurvenfunktionen viele Formen für Aschenbecher oder Schreibtischutensilien aus Kunststoff. Seine morphologischen Studien, die er in seinen Unterricht an der Ulmer Hochschule für Gestaltung einbrachte, erhielten wichtige Anregungen aus der Naturwissenschaft.
Dieter Rams, der 1955 als Architekt zu Braun kam, später lange Chefdesigner war, gilt als wichtiger Wegbereiter und angesehener Vertreter dieser Avantgarde. Ihm ist es zu verdanken, dass das eigenständige Braun Designkonzept nicht nur zum unternehmerischen Erfolg führte, sondern auch zum Inbegriff für gute Produktgestaltung, zum Synonym für »Design made in Germany« wurde. Rams: »Unser Beispiel hat manches Unternehmen angeregt. Die Aufmerksamkeit für Design wuchs und die Maßstäbe für die Bewertung von Design-Qualität wandelten sich tiefgreifend. Zunächst hatte die deutsche Gebrauchsgüter-Industrie für den Binnenmarkt produziert und den riesigen Nachholbedarf befriedigt. In den Sechzigern öffneten sich die Märkte und wir sahen, dass modernes Design im Sinne von Braun international auf große Akzeptanz stößt. Dieser Markterfolg bestärkte uns … Uns ging und geht es heute noch um brauchbare, langlebige Produkte … und uns wurde zunehmend deutlichen wie anspruchsvoll diese Aufgabe ist.«
Zusammen mit Dieter Rams hat vor allem auch Gerd Alfred Müller (1932-1991) durch seine Gestaltung der Küchenmaschine KM 3 im Jahr 1957 das Braun-Design geprägt. Bei Lamy in Heidelberg entwickelte er das Schreibset Lamy 2000, das ebenfalls neue formale Maßstäbe für Schreibgeräte setzte.
Mit dem Ziel, die kreative Arbeit von Industriedesign-Studenten zu würdigen, schreibt die Braun GmbH seit 1967 den internationalen Braun Förderpreis für Nachwuchsdesigner aus. Von einer hochkarätigen Jury aus Designern, Technikern und Journalisten werden die eingesandten Arbeiten nach Kriterien beurteilt, die an den Qualitäten der Formkonsequenz, der Gebrauchsfähigkeit und der technischen Innovation orientiert sind. Dieser renommierte Preis wurde als erster internationaler Designförderpreis Deutschlands auf Initiative von Erwin Braun, einem Sohn des Firmengründers Max Braun (1890-1951), gestiftet.
Designgeschichte schrieb auch die Entwurfsarbeit von Egon Eiermann (1904-1970), von dem die trichterförmigen Verwaltungsbauten von Olivetti in Frankfurt-Niederrad stammen. Bekannt geworden ist der Architekt vor allem durch den Wiederaufbau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin und durch seine Zusammenarbeit mit Sep Ruf (1908-1982), mit dem er 1958 den Deutschen Pavillon der Weltausstellung Brüssel konzipierte. Der von Eiermann erdachte Klappstuhl SE 18 zählt zu den am meisten verkauften Holzstühlen der fünfziger Jahre. Der Korbsessel E 10 wurde als Einzelstück um 1948 in Karlsruhe für die Ausstellung »Wie wohnen?« entworfen, ging ab 1952 in die Serienproduktion und war der offizielle Sessel für die Ruhezonen des Deutschen Pavillons auf der Brüsseler Weltausstellung 1958.
Die bereits über ein halbes Jahrhundert alten elektrischen Leuchten von Hanns Hoffmannlederer (1899-1970), der von 1950 bis 1964 den Vorkurs an der Darmstädter Werkkunstschule leitete, wirken hochmodern, weil sie gleich Skulpturen an experimentelle freie Objekte ohne jegliche Funktion erinnern. Sie sind spannungsvoll aus gebogenem Plexiglas geformt und geben ein angenehm warmes Licht.
Zur gleichen Zeit entsteht, neben Tischen, Schrankwänden und Stapelstühlen, eine Ottomane von Hans Hartl (1899–1980) bei dem Polstermöbelhersteller Eugen Schmidt, die mit ihrer organisch-geschwungenen Form ein publizistischer Erfolg war.
Um 1945 entwarf der Architekt, Ingenieur und Produktgestalter Hermann Gretsch (1895–1958) das Besteck 781, das die Solinger Firma C. Hugo Pott herstellte und das auf der Weltausstellung mit der Goldenen Medaille ausgezeichnet wurde. Gretsch war seit 1931 künstlerischer Berater und Mitarbeiter der Porzellanfabrik Arzberg.
Mit Eiermann arbeitete der in Südbaden lebende Hans Theo Baumann (1924-2016) zusammen. Er gestaltete unter anderem die Glasfenster für die Berliner Gedächtniskirche. Der Mitbegründer des Verbundes Deutscher Industriedesigner (VDID) zeichnete vernünftige und handliche Entwürfe für Glas, Keramik, Kunststoff, Holz und Textilien, arbeitete für die Firmen Thomas, Schönwald, Arzberg, Rosenthal sowie Gral. Beispielhaft ist sein Bordgeschirr für die Lufthansa sowie ein einheitliches Kaffee- und Teegeschirr, das aus den Grundformen von Quadrat und Kreis entstanden ist: ein stapelbares System, in dem die Teile austauschbar sind.
Obwohl das Design mittlerweile jeden Lebensbereich erobert hat, ist es doch eine noch junge Disziplin
Die Formgeber, die ab Mitte der sechziger Jahre die Berufsbezeichnung »Designer« angenommen hatten, waren auf sehr verschiedenen Ausbildungswegen zu dieser Tätigkeit gekommen. An den Werkkunstschulen waren es oft die Fächer der Vorlehre, der angewandten Grafik, der Keramik, der Metallgestaltung und der Malerei, die als Voraussetzungen für die spätere Arbeit als Designer in Frage kamen.
Beispielhaft baute Heinz G. Pfaender (1928–2004) ab 1960 in Darmstadt den Studiengang Industriedesign an der Werkkunstschule auf. Seit der Eingliederung der Werkkunstschule in die Fachhochschule Darmstadt als Fachbereich Gestaltung 1971 konnte Pfaender dann unter verbesserten Bedingungen seine Ideen von der Ausbildung der Industriedesigner umsetzen. Auch in anderen Städten und Bundesländern erfolgte eine Neuorientierung in der Ausbildung zum Designer; denn in der Praxis waren bis dahin Architekten, Techniker, Ingenieure, Erfinder oder Künstler wie Maler; Bildhauer und Modelleure in freier Zusammenarbeit mit der Industrie tätig. In erster Linie waren sie gestalterisch wirksam und setzten sich mit Fragen der äußeren Form auseinander; aber verstärkt nahmen sie auch Einfluss auf Arbeitsabläufe sowie auf die Organisation und halfen bei den verschiedensten Problemlösungen mit. Ihr Denken und Handeln wurde so vermehrt auch von Produktionstechniken gelenkt, so dass der Künstler in seinem freien Denken diszipliniert wurde, während der Ingenieur und der kaufmännisch-technisch orientierte Wirtschaftler in der Zusammenarbeit mit dem künstlerischen Mitarbeiter die ästhetische Komponente für die Industrieproduktion entdecken lernten.
Der in Berlin-Rüdersdorf geborene Designer Günter Kupetz (*I925) kam von der Bildhauerei zur Produktgestaltung, was man vielen seiner organischen Formen ansieht. Er war, wie auch seine Frau Sigrid Kupetz (*1926), für die WMF in Geislingen tätig, entwarf Haushaltsgegenstände wie Schalen, Bestecke, Eiszangen, Gießkannen, Obstschalen, Leuchter und Tabletts. Zudem entwickelte er 1969 die bekannte gläserne Wasserflasche mit Taille und Noppen, die sich seit über dreißig Jahren in der Mehrwegflaschen-Praxis bewährt hat und die auch auf zahlreichen Plakaten für verschiedene Erfrischungsgetränke wirbt. 1982 erhielt Kupetz für diesen Entwurf den Bundespreis. Die Jury: »Ein Verpackungs-Einheitsglas, welches ohne werbliche Absichten ausschließlich seinem primären Funktionsziel folgend, in einer folgerichtigen Gestaltung sinnfällig Probleme der Handhabung, des Transports, der Packung löst, erreicht so eine vernünftige anonyme und beispielhafte Designqualität.«
Von der Hochschule für Gestaltung Ulm kam Hans (Nick) Roericht (*I932). Bereits mit seiner Diplomarbeit, dem Hotelgeschirr TG 100 von 1959, machte er sich einen Namen. Das weiße Porzellangeschirr, das seit 1961 in Serienproduktion ist, zeichnet sich durch kombinierbare Teile sowie eine kompakte Stapelbarkeit aus.
Der aus Hanau stammende Designer Peter Raacke (*1928) bezeichnet sich selbst als Autodidakt. Aber auch er hat eine solide handwerklich-künstlerische Ausbildung genossen. Noch während seiner Schulzeit besuchte er die Hanauer Zeichenakademie und absolvierte eine Lehre zum Gold- und Silberschmied. Raacke war Assistent in der damals neugegründeten Werkkunstschule in Darmstadt, wo er sich bei dem Bildhauer Fritz Schwarzbeck ausbilden ließ. Kontakte mit ehemaligen Bauhäuslern sowie das Erlebnis des Darmstädter Gesprächs zum Thema Mensch und Technik trugen dazu bei, dass er sich verstärkt mit Fragen der industriellen Formgebung auseinander setzte. Es entstanden freie Arbeiten wie Schalen und Dosen. Experimente mit der puristischen Form waren seine Büromöbel für Voko in Gießen sowie Systemmöbel und Schrankelemente. Raacke fertigte zudem minimalistische Lampen und Tischgeräte und erhielt Aufträge für Messe- und Ausstellungsbauten. Mit seinem mono-a Besteck traf er 1958 den Nerv der Zeit und die spätere Variation mono-Ring markierte mit ihren bunten Kunststoff ringen an den Griffenden von Messern, Gabeln und Löffeln den Übergang zur heiteren Popkultur. Mitte der sechziger Jahre, in der Stimmung des Aufbruchs und des politischen Aufbegehrens, setzte er sich als erster Designer intensiv mit der Entwicklung von Möbeln aus Pappkarton auseinander. Viele Museen zeigen in ihrer Designabteilung die roten, blauen, gelben und grünen Kartons, die sich kinderleicht kombinieren, stapeln und aneinander reihen lassen. Auch Kinder können im Handumdrehen Phantasiegebilde wie Autos, Schiffe oder Eisenbahnen bauen, die zudem leicht, stabil und faltbar sind. Raackes Möbel ließen sich unkompliziert und mühelos transportieren. Sein Kinderprogramm war derart erfolgreich, dass er begann, auch Pappmöbel für Erwachsene zu entwerfen. Seine von ihm als Billigprodukte angepriesenen Entwürfe umfassten Hocker, Sessel, Sofas und Tische.
Zudem kann er als Entdecker der Hart-Weich-Technik betrachtet werden, die heute gerne bei Rasierern angewendet wird, denn sein 1965 zusammen mit Dieter Raffler (*1942) entworfener Schalenkoffer aus Kunststoff, der eigentlich als reines Packaging-Design für Tapezierwerkzeuge erdacht wurde, kommt mit dieser Technik ohne Scharnier aus.
In dieser Umbruchstimmung war Ingo Maurer (1932–2019) einer der ersten, die Design als Provokation, als Zitat oder als ironische Geste verstanden. Der Münchner, der spielerisch mit Materialien und neuer Niedervolt-Technik experimentierte und damit dem Licht zu neuer Wirkung verhalf, zählt zu den international bedeutendsten Lichtgestaltern. Von japanischer Kultur inspiriert, ist seine fröhliche und leicht daherkommende Produktsprache einzigartig in ihrem formalen Ausdruck.
Völlig anders als Maurer, der seit den siebziger Jahren auch Haushaltsgegenstände wie Siebe für seine Leuchten verwendet, arbeitet der Designer Dieter Witte (1937–2008), der sich ebenfalls voll und ganz auf das Thema Licht konzentriert hat. Seine Leuchten sind auf die wichtigsten Bestandteile, bei optimaler Lichtausnutzung, reduziert. Zusammen mit seiner Frau Heidi Witte (*1940) entwarf er unter anderem eine kleine, flexible Minispot-Leuchte, die sowohl für junge wie auch für ältere Menschen gedacht ist. Witte, der seit rund 35 Jahren für Osram Leuchtmittel entwirft und vorher bei Staff und Erco tätig war, hat Lampen für die verschiedensten Zwecke im öffentlichen Raum, der Industrie sowie in Büro, Haushalt und Freizeit entwickelt.
Aufsehenerregende Entwürfe schuf Walter Giers (1937-2016) mit seinen Kenntnissen aus der Elektronik. Hierzu zählen ein in durchsichtige Folie eingeschweißtes Radio, bei dem alle technischen Komponenten sichtbar sind, sowie die ersten Lautsprecher in Kugelform.
In diese Erfinderriege gehört auch Helen von Boch (1938–2007), die ein für die damalige Zeit ungewöhnliches Service entwarf, das aus neunzehn Teilen bestand und sich wie ein Puzzle zu einer raumsparenden Porzellankugel zusammensetzen ließ.
Ebenso pfiffig sind die praktischen Kunststoffrahmen von Günter Röchelt (1939-1998).
Aus dieser Zeit stammen auch die ausdrucksstarken Sitze des Architekten Herbert Ohl (1926-2012), dessen Möbelkonstruktionen geprägt sind von einer Ästhetik, die innovative Materialkombinationen mit geometrischen Strukturen verbindet.
Ganz anders wieder Gerd Lange (*1931), dessen Entwürfe auch zu Klassikern wurden, der aber handwerkliche Möglichkeiten und Produktionstechnik mit einem hochsensiblen plastischen Gestaltungswillen verbindet.
Aber vor allem die aerodynamischen Formen von Luigi Colani (1928–2019), der vom Automobil- und Flugzeugdesign herkommt und der neue Techniken und Materialien sichtbar mit Begeisterung anwendet, sind international bekannt. Colani, der organische Sitzskulpturen ebenso wie futuristisch anmutende Schiffe, stromlinienförmige Motorräder, aber auch Flugzeuge, Brillen, Kugelschreiber und Fotoapparate schuf, entwickelte mit seiner Faszination für exzentrische Formen und Farben eine eigene, phantasievolle Produktsprache, die sich bewusst von der geometrisierenden, sachlich-konstruktiven Entwurfspraxis unterscheidet.
Von der Automobilindustrie ist auch Stefan Heiliger (*1941) geprägt, dessen seit 1966 entworfene Stühle, Sessel, Sofas und Liegen oft wie Sitzmaschinen anmuten und über variable Funktionen verfügen. Spannungsvoll wirkt das Miteinander von Form. Farbe und Material seines umfangreichen Möbelprogramms, das er als Hersteller selbst vertreibt.
Ferdinand Alexander Porsche (1935–2012) und sein Porsche Design Team verbinden aus Tradition Design mit Konstruktion und sind mit luxuriös anmutenden Produkten von Konsumgütern wie Lederaccessoires, Brillen, Fotoapparaten, Helmen bis hin zum ästhetisch geformten Gabelstapler für die unterschiedlichsten Branchen tätig.
In ähnlich breitgefächerter Weise arbeiten die großen Design-Teams von Hans Erich Slany (1926), Arno Votteler, Rido Busse (1934), Horst Diener (1938), Andreas Haug (1946) und Alexander Neumeister (*1941).
An Stelle der anfänglich sparsamen Produktästhetik, geprägt durch Handwerk und Herstellungsmethoden, rückt mehr und mehr ein phantasievollen spielerischen experimenteller Umgang mit den Formelementen des Designs nach
Oftmals ersetzen offene und flexible Systeme den klassischen Designgegenstand. Mit computergenerierten Entwürfen sowie durch endlos erweiterte Möglichkeiten der Materialkombinationen eröffnet sich den Gestaltern eine grenzenlose Freiheit, die durch die perfektionierten Herstellungsmethoden ergänzt wird. Es ist Firmen mit mutigen Gründern und Geschäftsführern wie Audi, Braun, bulthaup, EADS, Erco, Festo, FSB, Gardena, Holzäpfel, Knoll International, Krups, Kusch + Co, Lamy, Leica, Leitner, Loewe Opta, Miele, Moormann Möbel, Pott, Rodenstock, Rosenthal, Schott, Siemens, Vießmann, Vitra oder Wilkhahn zu verdanken, dass sie Generationen zusammenbringen und Gestaltern ein Laboratorium bieten, um von Grund auf Dinge neu zu entwickeln und somit das Produktdesign voranzutreiben.
Inzwischen hat die Gestaltung von Produkten, Kommunikation und Umwelt eine gewaltige Entwicklung durchlaufen
Während in den Anfängen einzelne Designerpersönlichkeiten mit ihren individuellen Handschriften wirkten, sind an deren Stelle heute oft Teams mit ihren professionell ausgebildeten Spezialisten getreten, die interdisziplinär zusammenarbeiten. Auch haben sich die Aufgaben seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von niederkomplexen zu hoch komplexen Problemstellungen entwickelt. Wenn sich früher Gestaltungsfragen meist in Zusammenhang mit Porzellan-, Glas- und Metallgerät oder mit Möbeln vom Thema Haus und Wohnen ableiteten, so sind inzwischen immer mehr technologische und wissenschaftlich erforschte Lösungen gefragt, die in Bereichen wie Medizintechnik, Büroorganisation und Kommunikation oder von Verkehrssystemen mit ihren weltumspannenden Logistikstrategien für Produktion, Transport, Montage, Vertrieb und Marketing gefordert werden.
Text: Michael Schneider / Jörg Stürzebecher 2004
Archive
Das INTeF besitzt Sammlungen, Stiftungen, Nachlässe und Überlassungen von Studienarbeiten von Hochschulen. Entwürfe von Walter Maria Kersting, Wilhelm Wagenfeld, Heinrich Löffelhardt, Wilhelm Braun-Feldweg, Jupp Ernst, Egon Eiermann, Gerd Lange, Dieter Rams und anderen mehr machen die Philosophie und die gestalterische Entwicklung dieser Designpioniere deutlich. Die Möglichkeiten heutiger digitaler Techniken werden zur Erfassung der Bestände genutzt. Ein Foto des Gegenstands bildet die Basis. Mit Hilfe von Büchern, Prospekten, Fotos und Dias wird das Produkt inventarisiert und eine Datenbank erstellt, die zwei Hauptfunktionen erfüllt: Sie gibt Informationen zum Design und zum Umfang sowie Lagerort der Bestände. Außerdem wird die Suche nach Details ermöglicht, es können alle erfassten Produkte eines Designers oder eines Typs aufgelistet werden (Vasen, Möbel, alle Produkte der 50er Jahre, alle Radios der Firma Braun).
Die Datenbank wurde speziell für die besonderen Anforderungen im Institut für Neue Technische Form entwickelt. Das zentrale Produkt ist der Datenpass, der alle Informationen zusammenfasst.
Produktdesign Beispiele für Sammelthemen
Grafikdesign Plakate aus Polen
Generelle Sammlungsziele
Produkt- und Grafikdesign von 1900 bis heute, sowohl National als auch International
Spezielle Sammlungsgebiete
Glas, Porzellan, Kunststoff, Technisches Design
Designer
Alvar Aalto, Otl Aicher, Gae Aulenti, Helmut Bätzner, Hans Theo Baumann, Alfredo Barbini, Peter Behrens, Mario Bellini, Graf Sigward Bernadotte, Harry Bertoia, Max Bill, Helen von Boch, Rudolfo Bonetto, Osvaldo Borsani, Wilhelm Braun-Feldweg, Ludwig Breit, Marcel Breuer, Hans Brockhage, Rido Busse, Achille Castiglioni, Peer Clahsen, Franco Clivio, Luigi Colani, Ilse Decho, Christian Dell, Erich Diekmann, Clauss Dietel, Karl Dittert, Charles and Ray Eames, Egon Eiermann, Wils Ebert, Kenji Ekuan, Heinz H. Engler, Jupp Ernst, Hartmut Eßlinger, Anna Castelli Ferrieri, Willy Fleckhaus, Kaj Frank, Walter Giers, Graf Goertz, Walter Gropius, Gruppo Strum, Hermann Gretsch, Tassilo von Grolman, Hans Gugelot, Hans Hartl, Stefan Heiliger, Günter Hennig, Herbert Hirche, Hans Hoffmann-Lederer, Ernest Igl, Arne Jacobsen, Walter Maria Kersting, Hans von Klier, Odo Klose, Florence Knoll, Ferdinand Kramer, Friso Kramer, Hugo Kükelhaus, Siegrid Kupetz, Günter Kupetz, Gerd Lange, Robert Lenz, Raymond Loewy, Heinrich Löffelhardt, Dietrich Lubs, Vico Magistretti, Enzo Mari, Bruno Mauder, Ingo Maurer, Alberto Meda, Alessandro Mendini, Jørgen Møller, Gerd Müller, Bruno Munari, Alexander Neumeister, Marcello Nizzoli, Eliot Noyes, Herbert Ohl, Walter Papst, Verner Panton, Pierre Paulin, Trude Petri, Carl Pott, Heinz G. Pfaender, Gian Carlo Piretti, Ambrogio Pozzi, Peter Raacke, Dieter Rams, Richard Riemerschmid, Hans Roericht, Aldo Rossi, Richard Sapper, Tobia Scarpa, Margarete Schütte-Lihotzky, Emma Gismondi Schweinberger, Ettore Sottsass, Philippe Starck, Giotto Stoppino, Max Taut, Michael Thonet, Mattheo Thun, Arno Votteler, Wilhelm Wagenfeld, Reinhold Weiss, Stefan Wewerka, Andreas Winkler, Dieter Witte, Marco Zanuso, Walter Zapp, Walter Zeischegg (… um die wichtigsten zu nennen)
Radiorecorder Don O. für Telefunken
Entwurf: Philippe Starck, Matali Crasset, 1995
Vortrag von Prof. Dr. Petra Eisele
Gehalten zur Eröffnung der Ausstellung Design für Design
Schon einen Bruchteil nach diesem Moment, in dem ich jetzt spreche, wird Gegenwart zur Vergangenheit. Wir schreiten stetig voran in die Zukunft und produzieren dabei gleichzeitig immer mehr Vergangenheit. Individuelle Vergangenheit, auch kollektive Vergangenheit, kollektive Erinnerungen – Vergangenheit und Erinnerungen, die sich auch festmachen lässt an Dingen. An wertlosen und wertvollen Dingen, an Dingen, die vielleicht erst durch individuelle Erinnerungen einen semantischen Mehrwert erfahren, bedeutungsvoll und wertvoll werden. Aber auch Dingen, die industriell produziert und massenweise verkauft, eine Zeit und damit unsere Erinnerung an eine bestimmte Zeit prägen. Sie werden immer wertvoller. Sie machen individuelle wie kollektive Erinnerung fest, machen sie greif- und erfahrbar.
Das INTeF ist kein Designmuseum im herkömmlichen Sinn, das klassische Objekte der Designgeschichte sammelt, ordnet und ausstellt mit dem Anspruch, einen fundierten Überblick über die Entstehung und Entwicklung des Design zu geben und das einzelne Objekte unter mehr oder weniger speziellen Fragestellung in beeindruckenden Katalogen bewerten will. Natürlich wird es immer Sockel geben, auf denen die Objekte präsentiert werden, aber – und das ist eben das Interessante, Charakteristische und wie ich finde eben auch das Sympathische hier beim INTeF: Dabei spielt die Begegnung immer eine entscheidende Rolle: Die Begegnung mit den Dingen, die Begegnung aber auch mit Menschen scheint ein wichtiges Charakteristikum dieser Institution zu sein. Und hier liegt meines Erachtens auch der Schlüssel für die Zukunft. Es geht nicht um Konsum von Design. Es geht um einen interessierten und neugierigen Austausch mit den Dingen und über die Dinge – um einen Austausch über Design – und das schon seit mehr als 55 Jahren.
Austausch über die Dinge
Nach dem zweiten Weltkrieg und der Blut-und-Boden-Ideologie der Nationalsozialisten war die Orientierungslosigkeit im Gestaltungsbereich enorm. Gestalter arbeiteten – je nach Auftragslage – als Kunsthandwerker, Architekten und/oder für die Industrie. Neben Weimar, das damals noch hoffnungsvoll an einer Bauhaus-Nachfolge arbeitete, und Ulm, das mit seinem Volkshochschul-Projekt einen wichtigen intellektuellen Pol darstellte, avancierte Darmstadt zum Zentrum gestaltungstheoretischer Neuorientierung: 1948 hatte der ehemalige Bauhäusler Max Bill eine Gastdozentur an der Technischen Hochschule; ab 1950 etablierten sich die so genannten Darmstädter Gespräche, in denen gestalterische und gesellschaftliche Fragestellungen eng miteinander verknüpft wurden. Das dritte „Darmstädter Gespräch“ zum Thema „Mensch und Technik“ manifestierte 1952 denn auch das dringende Bedürfnis nach einer ständigen Einrichtung, deren Aufgabe es sein sollte, das Wechselverhältnis zwischen Technik und Gesellschaft kritisch und kontinuierlich zu reflektieren. Noch im selben Jahr gründete Prinz Ludwig von Hessen und bei Rhein zusammen mit der Stadt Darmstadt das INTeF – das Institut für neue technische Form, das damals seinen Sitz im Alfred-Messel-Haus auf der Mathildenhöhe erhielt. Vielleicht auch interessant zu wissen: Zeitlich etwa parallel gründete der Deutsche Bundestag auch den Rat für Formgebung (RfF), der damals ebenso im Alfred-Messel-Haus untergebracht wurde und auch Hans Maria Wingler gründete sein Bauhaus-Archiv hier in Darmstadt auf der Künstlerkolonie im Ernst-Ludwig-Haus. Mit dem RfF und dem INTeF wurden gleich zwei für den Gestaltungsbereich zentrale Organe in Darmstadt angesiedelt, deren Aufgabe es sein sollte, der Orientierungslosigkeit in gestalterischen Fragen entgegenzuwirken. Man könnte auch sagen, die damalige Designszene formierte sich nach dem zweiten Weltkrieg neu in Darmstadt auf dem Berg der Mathildenhöhe, an diesem designhistorisch so bedeutsamen Ort.
Während der RfF stärker theoretisch und wirtschaftlich ausgerichtet war, kam dem INTeF mehr die Rolle einer inhaltlich bewertenden und reflektierenden Instanz zu. Damals galt es auch, die Inhalte für ein Berufsbild, für das damals noch willkürliche und ganz unterschiedliche Bezeichnungen wie Entwerfer, Formgestalter, Zeichner oder Gestalter verwendet wurden, neu zu definieren. Während Wilhelm Braun-Feldweg für dieses Berufsfeld in den fünfziger Jahren die damals noch neue und ungewohnte Berufsbezeichnung „Designer“ einführte, engagierte sich das INTeF in der Sammel- und Ausstellungstätigkeit.
Begegnung mit den Dingen
Es ging in diesen Jahren darum, für die neuen Anforderungen, wie es die technischen Entwicklungen im Zuge des Wirtschaftswunders mit sich brachten, eine neue, adäquate Formensprache zu finden. Und sicherlich ist die Firma BRAUN zu nennen, wenn es um die gestalterische Ausformulierung einer Haltung geht, die „Design made in Germany“ maßgeblich geprägt und international bekannt gemacht hat; ein konsequentes Produkt-Design, das auf Gültigkeit und ästhetische Langlebigkeit – auf „Ehrlichkeit“ – setzt. Diese speziell deutsche Unternehmens- und Designkultur bildete einen zentralen Schwerpunkt der INTeF-Präsentation, und dementsprechend sind in der Sammlung auch so renommierte Unternehmen wie AEG, Arzberg, Rosenthal oder WMF präsent. Zudem wurde zwischen 1990 und 2005 die BRAUN-Design-Collection im Alfred-Messel-Haus gezeigt; danach widmete sich eine spezielle Ausstellung dem ehemaligen Braun-Chef-Designer Dieter Rams. Allerdings gibt es auch noch andere wichtige, jedoch weniger bekannte Sammlungsschwerpunkte am INTeF: Mit traumwandlerischer Sicherheit und einem sensiblen Blick fürs Wesentliche hat der in Designfragen von klein an geschulte Michael Schneider seine Sammelleidenschaft für ein Feld entdeckt, das über Jahrzehnte hinweg von der Designgeschichtsschreibung ignoriert wurde: Typische Gegenstände und Erzeugnisse der Alltagskultur.
Was die internationalen Diskussionen der Postmoderne um „good design“ versus „Camp“ und „Kitsch“ in den sechziger Jahren, haben in den siebziger Jahren auf nationaler Ebene Überlegungen von Gert Selle zum wenig beachteten, aber viel benutzten „Normal“- oder „Alltags-Design“ bewirkt: Die Schulung eines zweiten, doppelten Blicks, der Erkenntnisse und Zusammenhänge hinter alltäglichen Dingen entdecken lässt.
Über Jahrzehnte hinweg hat Schneider quasi Suchschnitte durch unsere Alltagskultur gelegt und „gewöhnliches Design“ zutage gefördert – eine Dokumentation bundesdeutscher Alltagskultur, aber auch einer kontinuierlichen individuellen Sammelleidenschaft, deren spannende Funde heute nicht nur der Auswertung, sondern auch der Interpretation harren und bedürfen – eine unsichtbare, eine verborgene, eine schlummernde Design-Sammlung der anderen Art, die meiner Meinung nach dringend aus ihrem Dornröschenschlaf wach geküsst werden muss. Und dies auch aus mehreren sehr aktuellen Gründen: Zwar ist mit der Verabschiedung der „Moderne“ auch die Idee eines zeitlos gültigen „guten“ Design verabschiedet worden. Gleichzeitig wird mit dem Eintritt in die so genannte Nach- oder Postmoderne der Austausch mit den Dingen für „Design“ als Profession immer wichtiger.
Zum einen muss in Zeiten so genannter Posthistoire das Vorhandene immer wieder neu befragt und benutzt werden. Und so tragen alle Dinge, die Vergangenheit transportieren, zur Entwicklung neuer gestalterischer Positionen bei. Damit Zitationen nach dem so genannten Ende der Geschichte jedoch nicht in einem bloß oberflächlichen Recycling der Epochen, in einem unreflektierten Retro-Design, enden, sondern Designgeschichte tatsächlich als Repertoire gezielter ästhetischer Selektion dienen kann, muss eine reflektierte und kritische Auseinendersetzung vor allem junger Studierender mit Designgeschichte – mit dem Design der Vergangenheit – stattfinden.
Zum anderen wissen wir alle und erfahren es tagtäglich, dass Materialität immer mehr an Bedeutung verliert. Das Zeitalter der Digitale bringt virtuelle Parallelwelten mit sich, in denen Avatare geschaffen und ein anderes, zweites Leben, ein „second life“, gespielt, aber nicht gelebt werden kann. Entsprechend wird der Ruf nach Authentizität laut und lauter, nach individuellen Erlebnissen, die im echten Leben, wenn möglich einmalig stattfinden. Dinge schaffen es manchmal, dass Erlebnisse auch mit besonderen Erkenntnissen verbunden werden können. In ihrer materialhaften Existenz fixieren sie Vergangenheit. Ihre Gebrauchsspuren, ihre Patina, werden zu Zeitspuren auf dem Weg von der Vergangenheit ins Jetzt. Sie sind – wie wir – durch die Zeit gegangen und zeugen so im wahrsten Sinne von Geschichte. Wir erkennen uns in ihnen. Wir spiegeln uns in ihnen und deshalb werden sie uns immer wertvoller.
Eine wichtige Mittlerrolle spielen dabei persönliche Gespräche und ein Austausch über Dinge und die unterschiedlichen Gestaltungspositionen der Vergangenheit. Das INTeF war, ist und soll – so hoffe ich doch – auch in Zukunft ein offenes Haus für alle diejenigen bleiben, die sich für Produkt-Design, Grafik- bzw. Kommunikations-Design, Typografie, Architektur oder Fotografie interessieren und kann damit eine Schlüsselrolle in einem Diskurs einnehmen, den das klassische museumspädagogische Programm zumeist nicht erfüllen kann.
Gerade der Umzug in die Stadtmitte hierher an den Friedensplatz hinein ins pulsierende städtische Leben mitsamt seinen kurzlebigen Verlockungen des Shoppingglücks und der Zerstreuung, mitsamt seinen Neuheiten und Amüsements auf der einen Seite; aber auch mitsamt dem Beuys-Block im Landesmuseum vis á vis auf der anderen Seite, markiert diese Mittlerstellung. Und schließlich symbolisiert auch das Gebäude selbst seine „historische Lage“ zwischen Vergangenheit und Zukunft, indem das neue Gebäude mitsamt seinen barocken Wurzeln und der Präsenz der landgräflichen Familie im Inneren ein spannungsvolles Gegenüber zu den ausgestellten Designexponaten vornehmlich der zweiten Hälfte des 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts bilden: keinen Kontrast, sondern einen Dialog – einen im besten Sinne spannungsvollen.
12. April 2008 im INTeF
Kinetische Kunst: Color Window yellow-blue Special Edition
Hersteller Artek Company, Massachusetts/USA
Importiert von naef-Spielzeug, Zeiningen/Schweiz